19. September 2010

Anberlin – Dark is the way, light is a place

Category: Musik — Terje @ 1:41

Ohne Superlative funktioniert gar nichts! Es braucht nicht mehr und nicht weniger als den ersten ernsthaften “Album des Jahres”-Anwärter, um mich dieses Jahr zu meiner ersten Musik-Rezension zu bewegen. Versteht mich nicht falsch. 2010 war musikalisch ein tolles Jahr, nur im direkten Vergleich zu 2009 wirkt es irgendwie doch recht blass. Highlights wie die Alben von The Rocket Summer (Grandios!), Amber Pacific (Überraschend!) oder The Gaslight Anthem (erfrischend werkgetreu!) versüßten zwar die ersten 8 Monate des Jahres, doch zu überschwenglichen Rezensionen kann mich erst dieses Album hinreißen.

Dark is the way, light is a place

Bumm, der Titel hat gesessen. Das ein Jahres-Highlight von einer bis dato unbekannten/unbeachteten Band stammt, das ist auch schon eine Weile her. Zu Anberlin muss man auch nur wenige Worte verlieren, bevor es ans Eingemachte (die Musik) geht. Anberlin, das ist eine Alternative Rock Band, welche sich erfrischend aus dem amerikanischen Emo-PopPunk-Einheitsbrei heraushebt und sich mit jedem Album einen neuen Meilenstein zum Ziel setzt. Demzufolge is “Dark is the way, light is the place” zugleich Metapher auf das Schaffen der Band und grandioser Albumtitel, welcher die Evolution dieser Band bravourös einfängt.

1. We owe this to ourselves: Ein krasser Opener, welcher ungeniert draus losrockt und sofort gefällt. 5/5
2. Impossible: Die erste Single ist ein Ohrwurm erster Güte und könnte einer kreativen Hochphase von Jimmy Eat World entstammen (großes Kompliment) 5/5
3. Take me (as you found me): Eine Popballade wie aus dem Bilderbuch. Der Boyband-Touch den dieser Song versprüht wird in angenehmer Form von dem gewaltigen Soundteppich verdrängt, welcher sich im Refrain ausbreitet. 4/5
4. Closer: Die etwas härtete Nummer ist ein Grower erster Güte. Anfänglich wirkt “Closer” als einziger Text im Refrain befremdlich, bevor man nach mehrmaligem Hören die Wirkung dieses einen Wortes zu schätzen weiß. 4/5
5. You Belong Here: Ein Song der sich nach viel Arbeit anhört und dabei so leicht daherkommt, als wäre er der Band mal eben so eingefallen. Der Gitarreneinstieg bei 0.52 Min ist so geil, dass man sofort aufhorcht und dem Song die Aufmerksamkeit schenkt, die er verdient. Ein grandioses Stück Poprock. 5/5
6. Pray Tell: Das Stück begrüßt mich stampfendem Rhythmus und betörender Stimmung. Weiß man diese wertzuschätzen und kann man sich auf den (leicht angehobenen) Refrain einlassen, dann entfaltet sich dieser Track angenehm und ist in seiner Dynamik total ansteckend. 4/5
7. The art of war: Für mich das unangefochtene Highlight der Platte. Ein stampfend-elektronisch-pumpender Beat unterlegt Stephen Christians engelsgleichen Gesang bis sich das Stück im Refrain in die weiten der Prärie herauswagt. Dabei ist der Text unabdingbar:

“There are songs I’ll never write
Because of you walking out of my life
There are words that don’t belong
Because of you I’ll never write another love song”

Das ist Gänsehaut! Die Art und Weise wie dieses Stück im Rahmen der CD vorgetragen wird ist ganz großes Kino. Das Solo gibt dem Meisterstück den Rest. Perfektion! 6/5
8. To the wolves: Ein härteres Stück, welches das Album auf der Zielgeraden nochmal auf Touren bringen. Besonders die Shouts nach dem Refrain sind einfach nur eingängig. Absolut konzerttauglich! 4/5
9. Down: Im direkten Vergleich zum Rest des Albums ist “Down” sehr zurückgenommen und kommt weitesgehend mit Akustikgitarre und Gesang aus. Das schadet dem Song jedoch nicht sondern bringt ihn zusätzlich hervor. Es ist ein 80er-Jahre Juwel wie es heute noch selten vorkommt. Das Gitarren-Pattern am Ende vom Refrain klingt nach dem letztjährigen A-ha Hit “Foot of the mountain”. Irgendwie passen sie hier zusammen, Anberlin und A-ha. 4/5
10. Depraved: Den Abschluss bildet (wie bei den vorherigen Anberlin-Alben) ein groß aufgebauschte Nummer, welche sich langsam in Rage spielt. Hier werde wieder einmal die Lyrics in den Vordergrund gedrängt:
“You’re not a slave, so get off your knees.” So wirkungsvoll kann man eine Zeile Text inszenieren, Hut ab. 4/5

Insgesamt bleibt nicht viel zu sagen, außer dass Anberlin mit “Dark is the way…” ein grandioses Alternative Rock Album eingespielt haben, welches direkten Kurs auf den Titel des Albums des Jahres 2010 hält. Wenn ihr es irgendwie einrichten könnt, hört Euch das an.

3. September 2010

Nachruf für Satoshi Kon (1963-2010)

Category: Film,Kunst — Terje @ 12:06

Eigentlich ist es so gar nicht meine Art, verstorbene Künstler mit einem Nachruf zu würdigen. Ich halte grundsätzlich nicht viel davon, wenn Leute, die die Verstorbenen selbst nicht kannten deren Tod dazu ausnutzen um ihren Senf zu deren Werk abzugeben. Aber im Falle des Animé-Regisseurs Satoshi Kon, welcher am 24. August 2010 seinem Bauchspeicheldrüsenkrebs erlag, komme ich nicht umhim, ein paar Worte zu verlieren. Dabei treibt mich vor allem eines an: Einem einzigartigen Genie die letzte Ehre zu erweisen, bevor es nach und nach verblasst und im Meer der Vergessenheit verschwindet.
Satoshi Kon hat Animé-Filme gemacht. Im Gegensatz zu vielen anderen Regisseuren seines Fachs zählte Kon zu denjenigen, welche auch außerhalb Japans international Anerkennung finden konnten. Dies lag in erster Linie daran, dass er mit seinen Filmen stets die Konventionen des Animationsfilms hinterfragt und teilweise in seinen Grundfesten erschüttert hat. Das Überwinden der Genre-Konventionen, welches selbst in seinen ersten Langfilm “Perfect Blue” (1997) evident war, wurde zu seinem wichtigsten Markenzeichen. Dieser Film stellte etwas wahrlich Bahnbrechendes dar, denn er verdeutlichte wieviel mit dem Medium Animé zu erreichen war, wenn es sich als Pendant zum Spielfilm verstand und dessen Machart in Form der Animation umsetzte. Den Höhepunkt seines Schaffens erreichte Kon jedoch mit seinem Zweitwerk “Millennium Actress”, welches 2001 in Japan in Kino lief und hierzulande erstmals 2006 auf DVD veröffentlicht wurde. Dieser Film sprengte in vielerlei Hinsicht alles, was Animé vorher bedeutet hatte. Er ist zugleich fiktive Künstlerbiographie, Historienfilm, Science-Fiction und auf einer entrückten Meta-Ebene angesiedelt, welche den Zuschauer (genau wie “Perfect Blue”) intelektuell herausfordert. Im Hinblick auf die Regie fällt einem nur ein einziger Regisseur ein, den man mit Satoshi Kon vergleichen könnte: Christopher Nolan. Beide verstehen es auf brilliante Art und Weise, den Zuschauer zu täuschen und ihn zum aufmerksamen Zusehen zu zwingen wobei stets Anspruch mit optischer Brillianz einhergeht. Beide spielen mit der Wahrnehmung ihrer Protagonisten und der der Zuschauer, sodass sich ein Film erst nach mehrmaligem Anschauen in seiner Genialität erschließt. Letztlich war Satoshi Kon ein Genie vom Kaliber eines Christopher Nolan, mit dem Unterschied, dass sich letzterer einem viel größeren Bekanntheitsgrad erfreut.
Die letzten beiden Langfilme von Satoshi Kon gehören einer anderen Sorte an. “Toyko Godfathers” ist die herzerwärmende Geschichte dreier Obdachloser. Sie finden am Weihnachtsabend ein Baby und sind folglich gezwungen sich mit dem Kind und auch dem Sinn ihrer Existenz auseinanderzusetzen. Obwohl “Tokyo Godfathers” wesentlich konventioneller erzählt ist als Kons andere Werke zeichnet sich auch dieses Werk durch besondere Präzision aus, gerade bei der Charakterzeichnung. Satoshi Kons vierter und (wahrscheinlich) letzter Film “Paprika” (2006) ist eine Mischung aus Science-Fiction und Film Noir, in der sich, wie bei “Millennium Actress” verschiedene Realitätsebenen überlagern. Dabei ist die Inszenierung virtuos, der Film jedoch noch schwieriger zu durchdringen als “Perfect Blue” oder “Millennium Actress”. Für 2011 war “The Dream Machine” angekündigt, bei welchem noch nicht klar ist, ob er von Kons Mitarbeitern fertig gestellt werden wird.
Alles in Allem hatte ich mit diesem Artikel ein Ziel: Auf diesen genialen Regisseur aufmerksam zu machen! Sollte arte in naher Zukunft eine Reihe mit seinen Filmen ausstrahlen (wie sie es bei Miyazaki Anfang des Jahres getan haben) so kann ich nur empfehlen, sich diese Filme zu Gemüte zu führen, denn sie gehören zum Besten, was die Filmindustrie (Japans oder Amerikas, Animations- oder Realfilm) jemals hervorgebracht hat.

Links zum Beitrag:
Der Regisseur bei IMDb